Das synodale Prinzip als neue Chance
Unsere Kirche erlebt aktuell wahre Erdbeben. Jedenfalls nehmen wir dies in Deutschland so wahr, wo die Zugehörigkeit zu einer der großen Kirche kurioserweise durch das Steuerrecht belegt wird. Katastrophal waren und sind die massenhaften, über Jahrzehnte verübten Verbrechen an Kindern und jungen Erwachsenen, sei es, dass sie sexualisierte Gewalt erfahren haben oder in Heimen, von ihren Familien getrennt, gequält und zu Sklavendienst angehalten wurden. Kanada, Irland, Australien, Frankreich und leider auch Deutschland sind nur einige Orte solchen Grauens. Wie soll man sich als Christ dazu verhalten?
„Die Kirche ist weder Mittelpunkt des Heils, noch darf sie sich mit der Herrschaft Gottes gleichsetzen“.
Diese Feststellung des ehemaligen Bischofs von Limburg, Franz Kamphaus, aus dem Jahr 1969 (!) ist heute aktueller den je. Die Kirche sollte sich immer als Gemeinschaft der Gläubigen verstehen, nicht als Spielplatz der Mächtigen. Diese Erkenntnis scheint sich immer mehr Bahn zu brechen: im synodalen Weg in Deutschland, aber auch in der für 2023 angesetzten Weltsynode des Vatikan, bei der alle eingeladen sind, sich konstruktiv einzubringen. In Deutschland wird sie aktuell noch kaum beworben, im Ausland gibt es diesbezüglich deutlich mehr Aktivitäten, wie beispielsweise in der Diözese Luzern in der Schweiz oder im Erzbistum von Liverpool.
Wir können resigniert aufgeben und uns aus der aktiven Mitwirkung in einer derart schandbeflekten Kirche zurückziehen. Es wäre nur zu verständlich! Wir können aber auch immer noch hoffend daran mitwirken, dass sich diese Kirche wieder auf ihren Ursprung besinne, indem wir uns den Opfern zuwenden und nicht mehr den wohlfeilen Worten der Täter und ihrer Schärgen zuhören; indem wir die Botschaft Christi in unseren kleinen Lebensräumen verwirklichen, jeden Tag, ungeachtet der hohlen Regeln und Phrasen jener, die uns glauben machen wollen, dass wir nur durch priesterliche Pietät von unserer Schuld – unserer Schuld?! – befreit werden könnten. Wir müssen uns befreien von dieser Unterwürfigkeit und uns als gleichberechtigte Partner mit den Geweihten am Bau der Kirche verstehen. Als Christen sind wir alle zur Nachfolge Christi aufgerufen, ob als bezahlte oder zahlende Mitglieder. Auch diese Erkenntnis ist nicht neu: sie findet sich schon im II. Vatikanischen Konzil (1963-65, vgl. insbes. AA 3 und AA 7) wieder. Wir müssen uns alle als Dienstleister am Menschen verstehen, unabhängig von Herkunft, Farbe, Glaube oder Selbstverständnis dieses Menschen, anstatt uns als Priviligierte einer göttlichen Auserwählung zu gerieren.
Wir können einen Unterschied machen als Dienende, als in Bescheidenheit Glaubende – aber nur, wenn wir uns engagieren. Christliches Anpacken beschränkt sich nicht auf Gremienarbeit, aufs Feste planen oder tolle Events durchführen, sondern ist täglich gelebte Nächstenliebe im Kleinen wie im Großen. Lasst uns die Hoffnung nicht aufgeben!
Unser Gott ist größer, als unser kleines Herz es je begreifen kann.
(D. Corazolla)